Wie wollen wir miteinander sprechen? Surveyexperimente zu Meinungsfreiheit und der Regulierung von Hate Speech

Zielsetzung / Fragestellung

Ob und gegebenenfalls wie umstrittene, verletzende oder extreme Meinungsäußerungen (Hate Speech) im öffentlichen Diskurs eingeschränkt werden sollten, ist ein zentrales demokratietheoretisches Problem, welches gerade in Zeiten wachsender kultureller Vielfalt und digitaler Kommunikationstechnologie erneut zu einer politischen Herausforderung avanciert. Strittig ist vor allem a) die Definition dessen, was überhaupt als Hate Speech gilt und Grenzen der Meinungsfreiheit überschreitet, sowie b) wie eine angemessene und wirksame regulative Antwort auf sprachliche Grenzüberschreitungen aussehen könnte. Das anvisierte Forschungsprojekt geht diesen beiden Fragen empirisch nach und leistet damit einen empirisch-analytischen Beitrag zur Erforschung der Quellen und Gefährdungen gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Mittels einer Reihe von international vergleichenden Online-Umfrageexperimenten untersucht es: a) welche Formen der Meinungsäußerung unter welchen Bedingungen für Bürger warum als hasserfüllt oder herabsetzend wahrgenommen werden und welche Sanktionen sie für angemessen halten, sowie b) inwieweit und unter welchen Bedingungen sich ihre eigenen Meinungsäußerungen zu umstrittenen Sachverhalten oder gegenüber Minderheiten durch gezielte, experimentell gesetzte Primes beeinflussen lassen. Bei Letzteren steht insbesondere der Vergleich von staatlich-legaler oder zivilgesellschaftlich-normativer Regulierung im Mittelpunkt des analytischen Interesses. Die Online-Surveyexperimente sollen in Deutschland und den USA und somit unter zwei kontrastierenden regulatorischen Kontexten durchgeführt werden, in denen sich sowohl kulturelle Normen der Meinungsfreiheit als auch formale Gesetzgebung erheblich voneinander unterscheiden (Bleich 2011).

Thematischer Bezug zu gesellschaftlichem Zusammenhalt

Gesellschaftlicher Zusammenhalt erfordert den Umgang mit Vielfalt. Dabei geht es nicht nur um die Anerkennung verschiedener sozialer Gruppen, sondern gerade auch um die Akzeptanz unterschiedlicher politischer Ansichten. Diese demokratische Selbstverständlichkeit scheint im gegenwärtigen politischen Klima manchmal in Vergessenheit zu geraten. Allein der Tatsache, dass wir Teilnehmer als innerhalb oder außerhalb des demokratischen Diskurses stehend einteilen und uns über die Grenzen der Meinungsfreiheit Gedanken machen, haftet etwas Krisenhaftes an. Auch wenn diese Debatten mit aufgeladenen Kampfbegriffen wie „politische Korrektheit“ und „Tugendpolizei“ auf der einen Seite oder „Hetze“ und „Hate Speech“ auf der anderen hantieren, werfen sie doch eine zentrale Frage für den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf: Wie kann die schwierige Balance zwischen individueller Freiheit und gleicher Würde im öffentlichen Diskurs gelingen?


Bleich, Erik 2011: The Freedom to Be Racist? How the United States and Europe Struggle to Preserve Freedom and Combat Racism, Oxford.

Projektleiter*innen

Daniela Grunow

Stellvertretende Sprecherin Teilinstitut Frankfurt / Projektleiterin
Kontakt

grunow@soz.uni-frankfurt.de 

+49 69 798-36535

Richard Traunmüller

Projektleiter
Kontakt

traunmueller@uni-mannheim.de

+49 621 181 2288 

Externe Kooperationspartner*innen

Prof. Dr. Simon Munzert, Hertie School of Governance, Berlin
Institute for Empirical-Analytical Research (InFER), Universität Frankfurt

Cluster, Forschungsfelder und Laufzeit

Cluster 1: Theorien, Politiken und Kulturen des Zusammenhalts
Forschungsfeld: Demokratie und Öffentlichkeit
Laufzeit: 06 / 2020 – 05/2022