Politische Konfliktregulierung und gesellschaftlicher Zusammenhalt

Zielsetzung / Fragestellung

Dieses Projektvorhaben fokussiert auf die politisch-institutionellen Quellen gesellschaftlichen Zusammenhalts, indem es den Zusammenhang zwischen Formen der politischen Konfliktregulierung und gesellschaftlichem Zusammenhalt untersucht. Konkret geht es um die Frage, wie Konfliktregulierung auf die Einstellungen von Bürger*innen gegenüber konkreten Politiken und generellem politischen Regulierungshandeln, mithin auf eine Dimension gesellschaftlichen Zusammenhalts einwirkt. Wir untersuchen dies in zwei konfliktträchtigen Feldern politischen Handelns, dem Management religiöser Diversität (1) und der Gestaltung von Infrastrukturmaßnahmen (2).

1. Die religionsdemographischen Wandlungsprozesse der letzten Jahre haben vielfältige Konflikte um Akzeptanz religiöser Diversität akzentuiert. Die zentrale Arbeitshypothese lautet, dass die Akzeptanz von religiöser Diversität und muslimischer Einwanderung ganz entscheidend eine Funktion ihrer politischen Regulierung ist (vgl. Helbling / Traunmüller 2016). Zentral ist die Frage, wie staatliche Akteur*innen religiöse Vielfalt regulieren und auf welche Weise sie versuchen, die Mehrheitsgesellschaft an solchen Entscheidungen partizipieren zu lassen. Dies eröffnet eine analytische Sichtweise, die nicht primär auf den Gegensatz von Aufnahmegesellschaft und religiösen Neuankömmlingen, Mehrheitsgesellschaft und religiöser Minderheit, sondern auf den Konflikt zwischen Bürger*innen und politischen Eliten fokussiert und damit auch direkt anschlussfähig an aktuelle Diskussionen um politische Polarisierung und „Populismus“ ist.

2. Mit Infrastrukturprojekten gerät ein Handlungsfeld in den Blick, das schon traditionell durch harte gesellschaftliche Konflikte strukturiert ist. Konflikte, wie jene um die Startbahn West am Frankfurter Flughafen haben in vielen der folgenden Konflikte eine hohe Bereitschaft zu innovativen Beteiligungsverfahren wachsen lassen, das heißt Beteiligungsverfahren, um Bürger*innen direkt an planerischen Entscheidungen teilhaben zu lassen (vgl. Geis 2005; Renn 2013). Obgleich die Forschung eine Vielzahl an Studien zu diesen „demokratischen Innovationen“ hervorgebracht hat (vgl. Smith 2009; Geißel / Newton 2012), fehlt oftmals der Vergleich mit herkömmlichen Regulierungsverfahren, um die Effekte von Beteiligungsverfahren abschätzen zu können. Unsere Leithypothese ist, dass die Effekte von Beteiligungsverfahren stark von den Konflikttypen abhängen, auf die sie angewendet werden. Dieses Handlungsfeld werden wir in enger Kooperation mit dem Projekt HAN_F_03 bearbeiten, welche das Beteiligungsverfahren im Kontext der Stromtrassenführung über Zeit in der Tiefe analysiert, während wir verschiedene Verfahren vergleichen.

Thematischer Bezug zu gesellschaftlichem Zusammenhalt

Das Projekt geht von der Prämisse aus, dass die Quellen von Zusammenhalt in einer heterogenen Gesellschaft nicht nur eine Frage individueller Dispositionen, Werthaltungen und Einstellungen ist, sondern auch durch Konfliktbearbeitung durch staatliches Handeln und Institutionen geprägt wird (vgl. Coser 1965; Dubiel 1997). Kluge politische Konfliktregulierung kann Zusammenhalt generieren, indem sie win-win-Situationen produziert, das heißt religiösen Minderheiten Rechte zugesteht, ohne dass anderen Rechte genommen werden (z.B. ein schweinefleischfreies Essen als Zusatzangebot oder ein zusätzlicher religiöser Feiertag). Sie kann aber auch Konflikte produzieren, falls Teile der Gesellschaft das Gefühl bekommen, dass die Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten ihre eigenen Traditionen und Gewohnheiten bedroht (z.B. kein Schweinefleisch mehr in Kitas und Mensen oder Umwidmung eines bestehenden Feiertags). Wie politische Regulierung maximale Akzeptanz hervorbringt und damit den Zusammenhalt der Gesellschaft verstärken kann, ist die zentrale Forschungsfrage dieses Projektes.


Coser, Lewis 1965: Theorie sozialer Konflikte, Neuwied.

Dubiel, Helmut 1999: Integration durch Konflikt?, in: Friedrichs, Jürgen; Jagodzinski, Wolfgang (Hrsg.): Soziale Integration, Wiesbaden, 132-143.

Geißel, Brigitte; Newton, Ken (Hrsg.) 2012: Evaluating Democratic Innovations Curing the democratic malaise? London, New York, 163-183.

Geis, Anna 2005: Regieren mit Mediation, Wiesbaden.

Helbling, Marc; Traunmüller, Richard 2016: How State Support of Religion Shapes Attitudes Toward Muslim Immigrants. New Evidence from a Subnational Comparison, in: Comparative Political Studies 49:1, 391-424.

Renn, Ortwin 2013: Partizipation bei öffentlichen Planungen. Möglichkeiten, Grenzen, Reformbedarf, in: Keil, Silke L.; Thaidigsmann, Isabelle (Hrsg.): Zivile Bürgergesellschaft und Demokratie. Aktuelle Ergebnisse der empirischen Politikforschung, Wiesbaden, 71-96.

Smith, Graham (Hrsg.) 2009: Democratic Innovations: Designing Institutions for Citizen ­Participation, Cambridge, 829.

Projektleiter*innen

Nicole Deitelhoff

Sprecherin Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt / Sprecherin Teilinstitut Frankfurt
Kontakt

deitelhoff@hsfk.de

+49 69 798-31444

Sigrid Roßteutscher

Projektleiterin
Kontakt

rossteutscher@soz.uni-frankfurt.de 

+49 69 798-36628

Richard Traunmüller

Projektleiter
Kontakt

traunmueller@uni-mannheim.de

+49 621 181 2288 

Externe Kooperationspartner*innen

Prof. Claudia Landwehr, Universität Mainz
Institute for Empirical-Analytical Research (InFER), Universität Frankfurt
Dr. Felix Bethke, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK)

Cluster, Forschungsfelder, Laufzeit

Cluster 1: Theorien, Politiken und Kulturen des Zusammenhalts
Forschungsfeld: Demokratie und Öffentlichkeit
Laufzeit: 01 / 2021 – 12 / 2023